Die Farben des Chamäleons

Auf einem Baum in einem Wald, aber nicht direkt auf einem Ast, sitzt ein Chamäleon und weiß nicht, was es hat. Wippen mag es nicht, es sitzt nur da auf einem kleinen Hocker und schaut sich um nicht ganz locker. Lau-faul bewegt es seine Augen mal links, mal rechts und auch mal links-rechts zugleich. Was es sieht, ist nicht von Belang, grau ist alles, die Blätter auf seinem Baum und auch seine Haut. Nicht einmal Fliegen zum Fangen gibt es hier weit und breit. Drum unausgerollt verwelkt seine Zunge in seinem Maul. Doch auf einmal merkt es auf, es zischt und knackt plötzlich von überall her! „Was ist los?“, fragt sich das Chamäleon, und nicht einmal mit einer Schnecke wetteifert es dabei. Was los ist, weiß es noch nicht, doch allmählich Hitze versengt sein Gemüt. „Muss das sein, auch das noch?“, nörgelt es wie wild … nein, nicht ganz, aber das hatten wir schon, es ist langsam, auch beim Nörgeln recht bedächtig verirrt. Aber schaut, auf einmal kommt Wallung im Chamäleon auf! Auweia, es fängt gar an zu wippen vor lauter Erregung. Mal so nebenbei erwähnt, dafür war der Hocker nicht ausgelegt. Es spürt, es spürt… Aber was? Denn sehen kann es nichts, alles wird bedeckt von lauter heißem Licht. „Das kenn‘ ich nicht!“, schreit – immer noch langsam – das graue Ding und macht mit seinen Augen erneut Optikakrobatik. „Hinten ist ja nichts, nur vorne. Halt, da sehe ich was! Eine Flieeeegä!!! Aber geröstet? Rot und knusprig? Meine arme Zunge, bleib einfach, wo du bist.“ Aber zurück nach Hinten. Da ist nix, keine Hitze, kein Knacken, bisher zumindest, denn auch dort wird es plötzlich hell, so geht die Sage. Und jetzt kommt eine lyrische Einlage:

… in den Flammen baden
und schauen, wie sie tanzen,
wie sie die Welt um mich bemalen.

Stopp, das denkt natürlich nicht das Chami – genannt liebevoll auf diese Weise -, das ist nur eine dichterische Abwandlung ohne echten Grund. Aber immerhin wissen wir jetzt, dass der Wald brennt wie im Höllenschlund.

Chami, verzweifelt wie es ist, rollt seine Zunge aus und fächert sich einen Wind. Es mag die Hitze nicht. Und auch das Getänzel vom wirrem Licht! „Was ist das doch?“ Fragt es sich. Mit all seiner Kraft nimmt sie in Augenschein. Es studiert sie tief bis ins Mark. Und da ist wieder dieser lose Reim, aber nicht von Chami selbst, das wissen wir mit Sicherheit:

… in meinem Herzen brennen,
und mein Inneres verzehren.
Aber auch mich nähren
und das Licht mir geben.

Doch das tut hier nichts zur Sache, es hat sich nur aus dem Äther zwischen diese Zeilen geschlichen. Chami rollt also mit den Augen und peitscht mit seiner Zunge das Licht um sich weg. „Wenn ich nur wüsste, was es ist! Amme, ich denke an dich, mein Ende naht! Ich flehe dich an, rette mich!“ Doch bei diesem Stoßgebet verschluckt es sich und ruft stolperkurz eine „Flll-Ammme“.

Und dann das! Die Oberflamme aus dem Wald, bisher auf diese Art von niemandem erkannt, eilt anaerob herbei. „Gebieter, gerufen habt ihr mich?“ Darauf „Blö-flö-öchmmmm“ war das Gezerre, was aus Chamis Kehle kam. Aber immerhin, hatte es einen Wunsch bei dem Feuerteufel frei. „Was ist euer Begehr? Erfüllen will ich es geschwind.“ „Mein Wunsch ist, dass ich endlich wüsste, was dieses heiße Farbenmeer um mich herum ist!“. Die ObFla erwiderte prompt – ist ja klar, wer gemeint ist – „Verstehen kannst du etwas nur ganz, wenn du selbst zu dem geworden bist. Unpassend jedoch hier, dass du dabei stirbst. Das wollen wir aber nicht, so verwandele ich dich nur zum Schein zu dem, was scheint.“ „Und hilft das was?“, wollte Chami wissen, denn seine Zunge fing langsam an zu schmelzen. „Es hilft, weil du nur so lernst, erkennend zu schauen, nicht nur zu sehen!“ So ward dann per Fingerschnipps Chamis Haut rot und gelb, und nicht durch Feuer und Flamme tödlich verstellt. Von dieser Erkenntnis aufgeschreckt in das hinterkühle Blätterwald floh es ausnahmsweise schnell.

So kam nun das Chamäleon zu seiner Farbe und wurde bunt gleich allem um es herum.

Und die Moral dabei? Wer sich sogar im Feuer zu verstecken weiß, gerecht wird der jeder Gefahr.

Zuallerletzt sei es dem Hocker mit einer stillen Minute noch gedenkt, den hat es nämlich im Feuer endgültig dahingerafft.

Die Quelle

Aus den Untiefen der Zeit lugt Tropfen für Tropfen ein Rinnsal auf die Erd. Es streckt und reckt sich und trollt herum wie ein Kind. Doch schnell kehrt bei ihm Ruhe ein, denn es trägt empfindlich und zart das Wasser der Liebe in die Welt. Es will nur eines sein, Trank für alle Seelen, und nur geben und geben! Doch in der Gegenwart angekommen traurig plätschert es nun dahin durchflutet von der Angst, dass es versiegt, wenn niemand mehr aus ihm trinkt.

Schwächeanfall

Dieses dauernd-bedrückende Gefühl, seit langem kein Teil mehr des Lebens zu sein, dennoch einer Welt, nein, nicht der materiell-reellen, vielmehr der mitfühlend-spirituellen, und dann doch dermaßen rational zu sein und noch unerträglich-feinfühlend zart, gar seelisch lebensunfähig-schwach, jedoch verlässlich verankert im funktionellen Fluss der Zeit. Ach, ich rede nur von mir, es ist nicht leicht.

Schattierungen

Wenn ich Gott um Hilfe bitten wollte, oder nur aus der Flasche den Geist, möge ich bescheiden sein, worum würde ich ihn bitten? Ich hätte nicht die Veranlassung, nicht einmal die Kraft, für mich um etwas zu bitten, die Menschen verdienten es mehr, für sie etwas zu wünschen. Ich würde für sie bitten, vielmehr beten, sie bekämen mehr Erkenntnisfähigkeit und auch eine weiterentwickelte Sehkarft, um zu erkennen, dass der Wert des Menschlichen Seins in den Schattierungen liegt, und nicht in den Grundfarben. Laut sind die Instinkte, die leisen Zwischentöne sind die Sprache der Liebe, wie die feinen Farben von Seide, wie eine Berührung der Sinne, und nicht wie der Hieb der Triebe. Ich wünschte, die Menschen könnten den Frieden entdecken in sich und füreinander. Nein, für mich selbst würde ich um gar nichts bitten, ich würde alle meinen drei Wünsche auf eine Karte setzen: „Gott oder Geist, oder wer auch immer du bist, schenke den Menschen ein starkes bescheidenes Herz!“

Warum eigentlich?

Ja, warum eigentlich schreibe ich? Diese Frage hat mich gestern spontan überfallen und beschäftigt mich unterschwellig seither. Ist es ein Dialog unter Gleichen, also mit mir selbst? Oder brauche ich die Umarmung der Worte als Manna für meine Seele? Sind es gar die schöpferischen Genüsse, die meinen Geist nähren und befried(ig)en? Oder was? Ich kann keine bessere Antwort geben als: Von allem etwas, denn ich kann nicht anders, ich fühle mich alleine, wenn ich nicht schreibe.