Gedichtsschwankungen der Farbenleere

Ich wollte schon wieder ein Gedicht über die Liebe schreiben. Ich wollte reimen

Sie strahlt in tausend Farben,
Jeder Mensch leuchtet
In seiner eigenen Farbe,
Die für alle Grau erscheint,
Nur denen nicht,
Die die gleiche Farbe haben.

Doch stimmt das eigentlich nicht. Wir sind vielmehr bedürftige Farbenblinde ständig auf der Suche nach der Bindungswärme unserer ersten Lebensmonate. Wir alle können uns so gut einreden, die eigene Farbe im Grau des anderen erkannt zu haben. Dabei überflutet uns ein solch törichtes Glücksgefühl, weil wir es fühlen wollen, weil wir ausgehungert sind, weil wir gesehen und endlich ankommen wollen. Aber irgendwann schlägt das Grau durch und wir ziehen weiter, suchen weiter, hungern weiter.

Doch was sind das wieder für schwere Gedanken? Gedanken, ihr launisch ewig unzufriedene Geistermacht ohne Zeitgefühl, ihr, die nach dem Glück trachtet, aber nicht bereit seid zur Selbstwandlung in das Jetzt, zur Erkenntnis eurer Vergänglichkeit, schweigt und erkennt

Mein Licht trägt meine Farbe,
Und das ist kein Gedicht,
Nur jedes Menschen Gabe.

Protuberanz

Ich weiß, meine laienhaften, pseudophilosophischen Ergüsse sind durchaus nervig. Manchmal will ich nur meine zwischen Weltschmerz und Lebensfreude am Schweben gehaltenen autobiografisch gespickten Gedankenknäuel in den Äther schießen. Zeitgeist vom 19. Kronezacken der Menschheit trifft auf Momentaufnahmen eines Homedenkers. Welch ein mit Eigenspannung überdüngter Nährboden für Wortentladungen meiner wundgereimten Gehirnwindungen! Doch genug des falschen Eigentadels, ich habe ja kein Zielpublikum, alle lesen auf eigene Gefahr.

Ich habe mich neulich gefragt, was Leidenschaft wohl ist und welchen Stellenwert sie im Leben eines Menschen hat. Ob sie eine Triebfeder ist oder eher eine Last. Führt sie zu einer Anhebung der Seelenenergie, oder ist sie vielmehr ein Stolperstein auf dem Gehweg des Alltags. Wohlgemerkt rede ich nicht von Verlangen oder Begierde, sie stellen keine Leidenschaft für mich dar, ich rede von reiner Erhabenheit, vom wagemutigen Heraufbeschwören des Glücksgefühls, vom Herausfordern und mit unbändiger Wucht Wegwischen des Gewöhnlichen, von der Opfergabe an das Jetzt ohne Rücksicht auf Verluste, vom Verschmelzen mit dem Kontinuum und von der Wonne zeitweiliger Allmachtsphantasien. Klar?

Also, was ist Leidenschaft? Ist sie Liebe, ist sie ein kaum kontrollierbarer Nebenwesen mit Eigenleben? Was ist sie? Ohne Frage kann sie schöpferisch wie zerstörerisch sein. Sicherlich gibt es dazu geistes-, vielleicht sogar neurowissenschaftliche Untersuchungen. In meinen Überlegungen wollte ich mich durch keine Recherche beeinflussen lassen.

Leidenschaft ist in meiner herumwirbelnden Gefühlswelt eine zarte Erscheinung, eine scheinbar verletzliche, kleine, scheue Pflanze, die jedoch bescheiden, aber in vollem Bewusstsein ihrer unendlichen Kraft in sich ruht und einen von der Scham befreit, vor Hingabe an das Leben auf die Knie zu fallen, den Kopf in das Glück zu betten und betört bereit zu sein den Augenblick zur Unendlichkeit werden zu lassen.

Aber vielleicht auch nicht. Jeder muss das für sich entscheiden.

Für mich ist es jedenfalls klar, ob wissenschaftlich oder nicht, dass ich ein Leben ohne Leidenschaft als nicht lebenswert erachte, denn sie ist ein Geschenk, ein göttliches Elixier, das einem das Leben von innen heraus erspürbar macht. Ich wünsche allen, die dies bisher nicht gewagt haben, mutig zu sein, den Kelch zum Mund zu heben und sich einen großen Schluck von diesem Trank zu gönnen. Das Knie tut vielleicht weh, doch das Herz wächst über den Rand des Universums hinaus. Gruß vom Pflänzchen: garantiert!

 

Ruf nach Rachel

An all die naiven Romantiker,
an all die kindlichen Idealisten,
an alle, denen die Brust platzt,
die sich nach einer Berührung sehnen,
die vor Freude weinen,
während sie in ihrer Vorstellung
ihre Seelenlunge füllen,
doch in Wirklichkeit nur
das dunkle Wasser
der Einsamkeit einatmen können
und in Panik erstarrt da liegen,
ihrem hungernden Herzen zuhören,
ihre blutenden Wunden anstarren,
ihre mit Vergangenem belegte Seele
anbetteln zu vergessen,
an all die, denen „Hoffnung“
nur Hohn und Spott gleichkommt,
euch allen sage ich,
haltet die Luft an,
atmet unter Wasser nicht ein
und gebt niemals, niemals
euren Idealismus,
euren Glauben an die Liebe auf,
sie ist da,
sie ist das Fundament
des wahren Lebens,
gebt niemals auf, niemals!