Voyager

Vor ziemlich genau fünfundvierzig Jahren wurden zwei Sonden auf den Weg geschickt, zu erforschen, wo bis dahin noch kein Mensch gewesen ist, und vorzudringen außerhalb des Sonnensystems ins benachbarte All. Seitdem lauschen Forscher, also wir dem immer schwächer werdenden Klang der Reisenden. Wir spitzen unsere Ohren und hoffen, dass sie uns noch lange wohlgesonnen ihre Botschaften nicht vorenthalten. Aber warum können wir uns nicht lösen von ihnen? Ist es Neugier, Forscherdrang oder eine Art Verbundenheit? Ist es das Gefühl, wenn ein Teil von mir mich verlässt, sich auf die Wanderschaft begibt, ich mit ihm mich auch erweitere? Und wenn dann seine Stimme versiegt, wie fühle ich mich dann? Verlassen etwa? Ich denke, ja. Ich weiß es. Also lauschen wir und spreizen unsere Antennen treu, solange es geht.

Der Mahlstrom

Eigentlich wollte ich wieder über etwas Schönes schreiben, doch mir fällt immer wieder dieses Wort ein. Ich stelle mir vor, ein Durcheinander aus Steinen hält gefangen, rädert und wälzt einen. Ist auch Wasser dabei? Ist nicht von Belang. Es geht um das Mahlen, um das Abtauchen, Auftauchen, um Bewusstsein von Gefahr, um Hoffnung und Erleichterung. Es geht auch um Abrieb von Altem, um Reinigung, Katharsis, Befreiung, Läuterung. Es geht um Erblicken von Licht, wenn man obenauf ist, um Trauer dann unten in der Dunkelheit. Es geht um Erleuchtung, und darum, wenn man weint, und nicht mehr weiß, ist es Freude oder Leid. Ich wollte so gerne von etwas Schönem schreiben, und nicht nur aus Erinnerung. Von Worten, die entstehen, und nicht von denen, dass es heißt, man suche die Einsamkeit. Ich wollte vom Duft reiner Haut schreiben, von Mut und Geduld, von Leben in der Welt der unendlichen Farben. In meiner Einbildung ein Anflug von Leichtigkeit wirbelt mich um, ich stelle mir vor, wie es hätte sein können bei so vielem im Leben, wenn das Herz geöffnet und nicht verschlossen sich dem Mahlstrom stellt, so die Steine verwelken, und an ihrer Stelle ein Blütenmeer entsteht. In meinem Geiste der Wohlklang einer Blume schimmert durch.

Einspruch!

Hier stehe ich nun in meinem Lebenswald. Stege führen zu Bäumen weit und breit. Einige derer sind tot oder scheinlebendig, aber viele gute auch dabei, an anderen wunderschönen führen meine Stege vorbei. Ich blicke mich um. Wohin soll ich ab heute gehen? Und was sollen all diese Wege, die nicht bieten, was ich mir will nehmen? Von ihnen sollte ich lieber springen, so frage ich mich, ist die Gefahr auf unbekanntem Boden wirklich so gewiss? Es heißt, das Leben sei zu kurz für alles in der Welt. Nein, ich sage, es ist zu lang, nicht umgekehrt! Zu lang, so dass wir Menschen Zeit haben es zu vergeuden, und dabei erpicht darauf zu hören, was uns andere einbläuen. „So musst du, und hier entlang geht es mit deinen Wegen. Folge meinen Worten, folge ihnen, sonst wird es dir schlecht ergehen!“ Ist es so? Was steuert uns wirklich im Leben? Zwänge der Natur? Oder die Gesellschaft selbst, deren Regeln besagen, wie es für uns sein soll, oder wir sein sollen? Ich will fragen! Wer übernimmt die Verantwortung für all die verlorene Zeit? Betäubung, welcher Art auch immer? Oder das tote Herz, das zwar schlägt, uns aber nur aus Gewohnheit am Leben erhält? Nein! Ich begehre auf, mich steuert nicht nur die Natur! Etwas Höheres erschallt in meinen Ohren: „Dein Ziel ist vorne und wartet auf dich!“ Doch mein Geist flüstert beharrlich: „Obacht, da droht Dir Gefahr!“. „Aber was für eine Gefahr?“, fragt mein Bewusstsein zurück. Und still in mich hinein: „Was, wenn keine Zeit zu lang für all die Ängste, die man ausdenkt ein Leben lang? Ist es nicht eine größere Gefahr, so lange unglücklich zu bleiben? Und warum fällt es uns so schwer, einfach nur zu sein? Alleine, zu zweit oder zusammen mit vielen?“ Es wäre wirklich besser, wenn wir tatsächlich kürzer lebten. Dann wäre das Glück nicht nur eine Option unter vielen. Oder sie wäre vielleicht nicht gegeben, so dass wir sie nicht ersehnten, aber auch vielleicht gar das einzig Wahre für die kurze Zeit, die uns gegeben. Ich denke wieder in Möglichkeiten. Scheinbar nicht mal in Gedanken kann ich meinen Pfad verlassen. So stehe ich nun hier in meinem Lebenswalde und frage, wo sind die Bäume der Hoffnung, wo sind sie nur geblieben? Nein, keine Zweifel, ich rufe aus: „Mein Herz schlägt nicht nur aus Gewohnheit seit Jahren! Es schlägt, weil es leuchtet und lieben kann bei weitem! Denn nur die Liebe stellt unser Leben außer Raum und Zeit! Oder in einen Zeitraum gleich der Ewigkeit.“

Enigma

Auf einer Lichtung mitten in Nirgendwo schwebt ein Zelt, steht ein Baum, mit Feen in der Luft um sie herum, Wald umsäumt das Feld, und aus Glocken Musik auf die Stille fällt, am Himmel fließen Wolken vorbei an zwei Monden in einem Farbenmeer weich und weit, und da ist auch ein Altar, vor dem in einer kleinen Truhe aufbewahrt Wünsche der Vergangenheit, Wünsche der Zukunft auf Fähnchen gebannt, und die Lichtung aufgespannt zwischen zwei Herzen feuergefroren in der Gegenwart. Mitten in Nirgendwo schwebt ein Zelt, steht ein Baum, am Himmel zwei Monde Hand in Hand.